22.10.2025
Der Verein der Freunde und Förderer des Max-Samuel-Hauses lädt ein zu zwei Denksteineinweihungen für
Käthe Hirsch (1894 Rostock – 1942 Berlin)
in der Blücherstraße 1-3, 18055 Rostock, um 15 Uhr
und
Benjamin Lautmann (1890 Korczyna/Galizien – 1943 Sobibór)
in der Fischerstraße 1-2, 18055 Rostock, um 16 Uhr
Mittwoch, 5. November 15 Uhr und 16 Uhr
Der Verein der „Freunde und Förderer des Max-Samuel-Hauses e. V.“ lädt alle Interessierten zur Enthüllung des 92. und 93. Denksteins im Beisein der Spender, Familie Maik Buttler, in Rostock ein.
Käthe Hirsch (13.01.1894 Rostock – 27.08.1942 Berlin)
Käthe Hirsch kam als viertes Kind von Philipp und Henny Hirsch 1894 in Rostock zur Welt und lebte zusammen mit ihren Geschwistern Paul, Willy, Anna und Ina in gut-bürgerlichen Verhältnissen.
Nach dem Tod des kinderlosen Kaufmanns Meyer Gimpel, der die „Productenhandlung M. Gimpel“ in der Lohgerberstraße 11 betrieb, erbte Philip Hirsch 1897 die Firma seines langjährigen Freundes und Geschäftspartners sowie kleinere Beträge für seine Kinder als Starthilfe ins Leben.
Nach dem Abitur 1912 am Realgymnasium in der Lindenstraße arbeitete Käthe bis Ostern 1918 an der Bilderbeck’schen Töchterschule in der Schröderstraße. Nach dem Beginn eines Studiums der Zahnheilkunde an der Rostocker Universität wechselte sie schnell zum Studium der „Neueren Sprachen“, das sie dann erfolgreich abschloss.
Philipp Hirsch starb bereits 1925 und die Schwestern heirateten nach Berlin. In den folgenden Jahren lebte sie gemeinsam mit ihrer Mutter und dem unverheirateten Bruder Willy in der Alexandrinenstraße 9 a (heute Blücherstraße 1-3) und ging ihrer Tätigkeit als Lehrerin für Deutsch, Englisch und Französisch nach.
1930 zog sie nach Berlin-Charlottenburg, wo sie weiterhin an einer Schule unterrichtete. 1935 zog ihre Mutter zu ihr in die bescheidene Zweizimmerwohnung.
Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten und deren antijüdischer Gesetzgebung verlor auch Käthe ihre Arbeit als Lehrerin und konnte ihren Lebensunterhalt fortan nur noch als Büroangestellte bei der jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin verdienen.
Im Verlauf der Zeit verschärfte sich der nationalsozialistische Terror. Käthes Schwestern Anna und Ina flohen mit ihren Ehemännern in die USA und nach Bolivien.
Mutter und Tochter lebten bis zum Sommer 1942 in der Kantstraße und erlebten im November 1938 die Pogromnacht. Sie mussten den zusätzlichen Vornamen „Sara“ annehmen, Judenkennkarten beantragen, den Gelben Stern tragen.
Im Juli 1942 wurde ihr Bruder Willy mit seiner Familie aus Rostock nach Auschwitz deportiert und ermordet. Am 17. August 1942 wurde Käthes Mutter Henny nach Theresienstadt deportiert, wo die 76-Jährige ums Leben kam.
Verzweifelt über den Verlust der Mutter und der Nachricht sich zu einem Transport ebenfalls nach Theresienstadt zu melden, entschied sich Käthe Hirsch, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Am 27. August 1942 beging sie Suizid, indem sie eine Überdosis Schlaftabletten nahm. Sie wurde 48 Jahre alt.
Es gibt bereits für Willy Hirsch und seine Familie sowie für Henny Hirsch Denksteine in Rostock. Der Stein für Käthe wird an ihrem letzten frei gewählten Wohnort in Rostock verlegt: Alexandrinenstraße 9 a, heute Blücherstraße 1-3.
Benjamin Lautmann (23.11.1890 Korczyna/Galizien – 1943 Sobibór)
Bernhard Benjamin Lautmann wurde 1890 in Korcyzna, im heutigen Polen, geboren.
Er kam nach dem 1. Weltkrieg nach Rostock und war als Händler für Tuchwaren tätig. Benjamin, wie er sich nannte, heiratete die „Nichtjüdin“ Gertrud Tilse (geb. 1898) 1923. Sie konvertierte zum Judentum. Ihr gemeinsamer Sohn Horst war bereits 1920 geboren worden. Die Familie lebte im Hinterhaus der Großen Lastadie 5 in der Rostocker nördlichen Altstadt, heute etwa in Höhe Fischerstr. 1/2.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 änderte sich das Leben der Familie Lautmann tiefgreifend. Die antisemitische Gesetzgebung machte es Juden beinahe unmöglich in Deutschland zu leben. Tausende emigrierten in die Niederlande, Frankreich, Großbritannien oder Palästina. Lautmanns blieben. 1938 wurde Benjamin die Gewerbeerlaubnis entzogen, was das Ende seiner wirtschaftlichen Existenz bedeutete. Am 27. Oktober, im Verlauf der sogenannten „Polenaktion“, wurde die Familie verhaftet. Benjamin und sein 20jähriger Sohn Horst wurden nach Polen abgeschoben. Gertrud kam am nächsten Tag wieder frei. Die beiden Männer wurden mit etwa 31 anderen Jüdinnen und Juden aus Rostock an die deutsch-polnische Grenze deportiert.
Wenige Tage nach der Verhaftung ihres Mannes und Sohnes musste die allein in Rostock gebliebene Gertrud Lautmann erleben, dass am 10. November 1938, in der „Pogromnacht“, ihre Wohnung von SA-Trupps zerstört und Waren aus dem Lager gestohlen wurden. Die Synagoge in der Augustenstraße wurde in Brand gesetzt.
Im Juli 1939 kehrte Benjamin Lautmann überraschend nach Rostock zurück, um seine Frau nach Łódź zu holen, wo er eine neue Wohnung gefunden hatte. Doch schon im Dezember des Jahres wurden Benjamin und Horst in das von den Nationalsozialisten neu geschaffene Ghetto Litzmannstadt verschleppt. Gertrud folgte ihnen.
Benjamin und Gertrud Lautmann beschlossen 1941 sich scheiden zu lassen. Gertrud konvertierte wieder zum evangelischen Glauben. Sie hofften, dass sie so von außerhalb des Ghettos Mann und Sohn mit Lebensmitteln und Geld versorgen könnte.
Benjamin Lautmann wurde 1943 nach Lublin und dann in das Vernichtungslager Sobibór deportiert und ermordet.
Horst Lautmann wurde 1941 nach Groß-Rosen deportiert, dann nach Sachsenhausen und Oranienburg. Er überlebte und zog 1948 nach Frankreich, wenig später nach Netanya/Israel, wo er eine Familie gründete und 2005 mit 84 Jahren starb.
Gertrud Tilse-Lautmann kämpfte nach dem Krieg in der DDR um Anerkennung als Verfolgte des Naziregimes (VdN) und um eine Rente. In den letzten Jahren ihres Lebens wurde ihr diese gewährt. Sie starb 1976 im Alter von 78 Jahren in Rostock.
Der Denkstein für Benjamin Lautmann wird in den Bürgersteig der Fischerstraße zwischen den Hausnummern 1 und 2 verlegt. Von der ursprünglichen Bebauung ist nichts mehr vorhanden.
