Eingangsbild

Foto: Peter Danziger, Benno Kalb, Klärchen Rubenfeld, kniend Chaja Nowak (MSH)

Enthüllung der „Denksteine“ für Chaim und Zywa Kalb und ihren Kindern Benno, Recha, Sonia und Hanna in der Straße Burgwall 5, 18055 Rostock, am Dienstag, 2. Mai 2023 um 13.00 Uhr.

Der Verein der Freunde und Förderer des Max-Samuel-Hauses e. V. lädt alle Interessierten am Dienstag, 2. Mai 2023 um 13.00 Uhr ein, an der Enthüllung von zwei „Denksteinen“ im Burgwall 5 teilzunehmen. Die Verlegung der Steine wurde von Jens Boden, den Jusos Rostock, Nico Knaack, Prof. Michael Rauscher und Thomas Winter ermöglicht. Schülerinnen und Schüler des evangelischen Bildungscampus‘ Dettmannsdorf werden die Einweihung inhaltlich gestalten.

Sechs Denksteine für Chaim und Zywa Kalb mit ihren Kindern
Benno, Recha, Sonia und Hanna
Burgwall 3 (heute vor Burgwall 5, 18055 Rostock, unbebautes Gebiet)

Chaim Kalb wurde am 2. September 1887 in Tomaszów / heute Polen, 100 km nördlich von Lwiw, geboren. Der Händler war in erster Ehe mit Serka Reizler (1894-1928) verheiratet. Sie hatten einen Sohn, Benno, der 1921 in Rostock geboren wurde. Nach dem frühen Tod seiner Frau heiratete Chaim ihre Schwester Zywa (09.03.1902 in Łaszczów / Polen / Russland geboren). In den nächsten Jahren kamen die drei Töchter Recha (1930), Sonia (1932) und Hanna (1934) zur Welt.

1930 Chanukka Kinder der Gemeinde Peter Danziger Benno Kalb Klärchen Rubenfeld kniend Hella Nowack

Kinder der Israelitischen Gemeinde Rostock, Chanukka 1930; Auschnitt Mitte: Benno Kalb (Archiv MSH)


Chaim zog mit seiner ersten Frau nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach Rostock. Möglicherweise flüchteten sie vor der unsicheren Lage nach dem Krieg und erhofften sich ein ruhigeres Leben mit einem besseren Auskommen in Rostock. Sie kamen ursprünglich aus dem neuen Grenzgebiet zwischen Polen und Russland, das im Versailler Vertrag beschlossen worden war. Zwischen 1919 und 1921 rangen die beiden Seiten im polnisch-sowjetischen Krieg um den Grenzverlauf des neugegründeten Staates Polen.
Chaim Kalb ist ab 1921 als „Lederstepper, Schächter und Händler“ im Rostocker Adressbuch zu finden. Die Familie wohnte zuerst in der Koßfelder Straße 30, später zogen sie einige Häuser weiter in den Burgwall 3, nach 1933 in die Schmiedestraße. Serka Kalb starb 1928 im Alter von 34 Jahren. Wir wissen aus unterschiedlichen Quellen, dass in strenggläubigen jüdischen Familien es noch heute durchaus üblich ist, dass der verwitwete Elternteil einen unverheirateten Verwandten aus der Schwiegerfamilie heiratet, damit die Kinder in der Ursprungsfamilie bleiben - das berichtet bsplw. Eva Umlauf, Zeitzeugin aus München. Denn kurz nach dem frühen Tod von Serka, heiratete Chaim ihre jüngere Schwester Zywa.
Da die Familie die polnische Staatsangehörigkeit besaß, gehörten sie zu den 33 Jüdinnen und Juden, die am 28. Oktober 1938 aus Rostock an die deutsch-polnische Grenze deportiert wurden. Von dort verliert sich ihre Spur.
Insgesamt wurden 70 Jüdinnen und Juden aus Mecklenburg abgeschoben. Sie kamen aus Rostock, Güstrow, Teterow, Neubrandenburg und Ribnitz. Die meisten sind während der deutschen Besatzung ab 1939 in Ghettos oder Konzentrationslager verschleppt worden. Von den aus Mecklenburg abgeschobenen konnten sich 16 der Deportation, Zwangsarbeit und dem gewaltsamen Tod durch eine Emigration nach Chile, Finnland, Großbritannien, Palästina und die USA retten.
Leider wissen wir nicht mehr vom weiteren Schicksal der Familie Kalb. Mit größter Wahrscheinlichkeit sind sie in Polen, in einem Ghetto oder Vernichtungslager ermordet worden. So wird es auch auf den Denksteinen verzeichnet sein: „1938 in der ,Polenaktion‘ deportiert, ermordet im besetzten Polen“.