Eingangsbild

1930 Chaja NowakFoto Chaja Nowak (MSH)
18.09.2024

Enthüllung der „Denksteine“ für
Anszel und Basia Nowak und ihren Kindern Chaja, Leib, Fanni und Isaak in der
Fischbank 10/11, 18055 Rostock
Mittwoch, 9. Oktober um 16.00 Uhr

Der Verein der Freunde und Förderer des Max-Samuel-Hauses e. V. lädt alle Interessierten ein, an der Enthüllung von sechs „Denksteinen“   teilzunehmen. Die Verlegung der Steine wurde durch private Spender ermöglicht.

Anszel Nowak wurde 1894 in Bełchatów, 50 km südlich von Łódź, geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt mit Errichtung des Staates Polen wieder polnisch. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts gehörte es zum russischen Reich. Er heiratete Sophie Brechner, die in Sosnowiec, in der Nähe von Katowice (Kattowitz), geboren wurde. Sie zogen nach Hannover. Wahrscheinlich aus Gründen der persönlichen und auch finanziellen Sicherheit für die junge Familie. Sie blieben einige Jahre in Hannover und versuchten dort Fuß zu fassen. Ihre beiden

Kinder Chaja und Leib kamen 1925 und 1927 zur Welt. Warum sie nach Rostock zogen, wissen wir nicht. Im Adressbuch von 1929 wird Anszel Nowak erstmals mit einem An- und Verkauf in Rostock erwähnt. 1930 starb hier Sophie nach der Geburt ihres dritten Kindes Fanni im Alter von 35 Jahren. Anszel heiratete bald darauf die sechs Jahre jüngere und aus Galizien stammende Basia Ring. 1934 kam ihr gemeinsamer Sohn Isaak zur Welt.                                                               

Ab 1931 lebte die Familie in der Fischbank 21 – heute etwa in Höhe der Nummern 10/11 -, ab 1934 führte Anszel Nowak dort auch ein Konfektionsgeschäft. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 änderte sich das Leben der Familie. Die Einnahmen aus dem kleinen Bekleidungsgeschäft gingen zurück, die finanziellen Sorgen wurden größer. Das Familienleben spielte sich immer mehr in der Gemeinde und der Synagoge ab. Dort trafen sie Gleiche, die ähnliche Sorgen drückten, und konnten die Beschwernisse des Alltags für kurze Zeit vergessen. Die Kinder und Jugendlichen begingen die religiösen Feiertage mit Aufführungen, machten Wanderungen in die Rostocker Heide, lernten Sprachen, hörten Vorträge über Palästina – bereiteten sich auf eine mögliche Auswanderung vor. Auf dem Foto ist die 5jährige Chaja Nowak verkleidet und spielt bei einer Märchenaufführung zu Chanukka 1930 mit. Es ist das einzige, dass wir von einem Familienmitglied der Nowaks besitzen.

Die Kinder der Israelitischen Gemeinde, Chanukka 1930 (Foto: MSH)

Die Zerstörung der Synagoge in der Augustenstraße 101 erlebten sie nicht mehr mit. Sie wurden 14 Tage vorher an die Grenze nach Polen in der sogenannten Polenaktion gebracht. Da die Familie die polnische Staatsangehörigkeit besaß, gehörten sie zu den 33 Jüdinnen und Juden, die am 28. Oktober 1938 aus Rostock an die deutsch-polnische Grenze deportiert und ausgesetzt wurden. Die insgesamt 70 aus Mecklenburg abgeschobenen Juden kamen aus Rostock, Güstrow, Teterow, Neubrandenburg und Ribnitz. Die meisten sind während der deutschen Besatzung ab 1939 in Ghettos oder Konzentrationslager verschleppt worden. Von den aus Mecklenburg abgeschobenen konnten sich 16 der Deportation, Zwangsarbeit und dem gewaltsamen Tod durch eine Emigration nach Chile, Finnland, Großbritannien, Palästina und die USA retten. Leider wissen wir nicht mehr vom weiteren Schicksal der Familie Nowak: Ob sie bei Verwandten in Polen unterkommen konnten oder sich allein durchschlagen mussten. Sie wurden nach Łomża, im Nordosten Polens gelegen, deportiert. Das Ghetto wurde 1941 eingerichtet. Irgendwann danach kam die Familie ums Leben. Und so ist es auch auf den Denksteinen verzeichnet: „1938 in der „Polenaktion“ deportiert, ermordet im Ghetto Łomża“.